
Von Bukarest nach China – über Coesfeld
Autor: Alexandru Schiller
你好 (nǐ hǎo) von der SchülerAkademie China!
Zwei Wochen lang fand die China-Akademie in Coesfeld statt – einer kleinen Stadt im Westen Deutschlands, etwa zwei Stunden mit dem Zug von Düsseldorf entfernt.
Die Deutsche SchülerAkademie ist eine Sommerschule für engagierte Schülerinnen und Schüler aus aller Welt. Sie bietet die Möglichkeit, den eigenen Horizont zu erweitern, neue wissenschaftliche Perspektiven zu entdecken und gemeinsam mit Gleichgesinnten aus verschiedenen Ländern an anspruchsvollen Themen zu arbeiten. An unserer Akademie nahmen nicht nur Jugendliche aus Deutschland teil, sondern auch aus Shanghai, New Mexico, Dubai und Madrid.
Die SchülerAkademie China unterscheidet sich von anderen Akademien durch ihren besonderen Fokus auf chinesische Geschichte, Sprache und Kultur. Sie schafft damit einen einzigartigen interkulturellen Lernraum. Konzipiert wurde sie in Zusammenarbeit mit dem Bildungsnetzwerk China – fast alle Lehrkräfte sprachen Chinesisch, etwa die Hälfte von ihnen stammte selbst aus China.

Mein Kurs trug den Titel „China vor 1000 Jahren: Su Shi und die Song-Dynastie. Geschichte, Kultur und Dichtung der Song-Zeit am Beispiel von Su Shi“. Wir beschäftigten uns mit der Song-Dynastie (960–1279 n. Chr.), einer Epoche tiefgreifender gesellschaftlicher, politischer und kultureller Veränderungen. Zu unseren Themen gehörten das politische System, technologische Innovationen, Religion, Kunst, Bildung und das Prüfungswesen. Durch Quellenarbeit, Diskussionen und kreative Aufgaben – etwa Plakatgestaltungen oder Theaterszenen – vertieften wir unser Wissen, insbesondere über Su Shi, dessen Biografie uns Einblicke in Exil, Philosophie und politische Konflikte gewährte. Im Verlauf des Kurses hielten wir sowohl Einzel- als auch Gruppenpräsentationen.

Der Kurs wurde von zwei Lehrkräften geleitet: Zhenghang Qi, Dozent für chinesische Sprache und interkulturelle Kommunikation mit Unterrichtserfahrung in China und Deutschland, und Phil Mielenz, Masterstudent der Sinologie an der Freien Universität Berlin mit Schwerpunkt auf Sprache, Literatur und Geschichte der Song-Dynastie.

Während der Akademie besuchten wir außerdem den Chinesischunterricht bei Yong Juan, einer in China geborenen Lehrerin, die seit über dreißig Jahren in Deutschland lebt. Sie brachte uns nicht nur die Sprache, sondern auch viele kulturelle Besonderheiten nahe, sodass jede Stunde lebendig und authentisch war. Jeder Teilnehmende erhielt einen chinesischen Namen, meist eine phonetische Ableitung des eigenen.
Zwei besonders spannende Elemente unseres Kurses waren die Rotation und die Dokumentation. Bei der Rotation arbeiteten wir in Vierergruppen und bereiteten eine Präsentation über unseren Kurs vor, die wir den Teilnehmenden anderer Kurse vorstellten. An einem Sonntag trafen sich Vertreter aller Kurse, um ihre Themen, Projekte und Ergebnisse zu präsentieren – ein lebendiger Austausch über ganz unterschiedliche Fachgebiete hinweg.


Die Dokumentation bildete den wissenschaftlichen Abschluss der Akademie: Jede und jeder von uns verfasste eine eigene Arbeit zu einem Thema aus dem Kurs. Ich entschied mich für „Medizinische Entwicklungen in der Song-Dynastie“ und untersuchte unter anderem die Entstehung anatomischer Atlanten, die Spezialisierung in Pädiatrie und Gynäkologie sowie Fortschritte in der Akupunktur. Besonders faszinierend fand ich die Beschreibung zweier bronzener Modelle, die mit Wasser gefüllt und mit Wachs überzogen waren. Sie dienten Medizinstudierenden damals als Prüfungsinstrumente für die präzise Anwendung von Akupunkturnadeln. Die Kinder- und Frauenheilkunde war vor der Song-Dynastie kaum erforscht, sodass diese Entwicklungen einen bedeutenden Fortschritt markierten.
Neben dem Kursprogramm gab es zahlreiche KüA – kursübergreifende Aktivitäten, die sowohl von Schülerinnen und Schülern als auch von Lehrkräften organisiert wurden. Eine meiner Lieblingsaktivitäten war eine Einführung in den argentinischen Tango, geleitet von einem älteren Ehepaar, das sechs Monate in Buenos Aires gelebt hatte. Danach folgte eine Nachtwanderung durch den Wald, die für viele zu den Höhepunkten der Akademie zählte. An einem Tag unternahmen wir zudem einen Ausflug nach Münster, wo wir an einer Stadtführung zum Thema Westfälischer Frieden teilnahmen.
Unsere Chinesischlehrerin Yong Juan organisierte außerdem einen Teeabend, bei dem wir gemeinsam Tee tranken, Sonnenblumenkerne und Kekse aßen – ganz wie in traditionellen Teehäusern in China. Dabei erzählte sie uns von ihren Reisen und zeigte Fotos aus verschiedenen Regionen des Landes. Zum Abschluss der Akademie fand ein Sportturnier statt, bei dem wir in fünf Teams gegeneinander antraten.
Am Vorabend der Abreise erlebten wir schließlich den Talenteabend – einen emotionalen und fröhlichen Abschluss, bei dem Teilnehmende ihre Kreativität zeigten und wir uns von unseren Lehrkräften und der Akademieleitung verabschiedeten, ohne deren Engagement diese zwei Wochen nicht möglich gewesen wären. Am nächsten Morgen traten wir die Heimreise an – und ganz im Sinne der Deutschen Bahn wurden wir gleich zu Beginn mit der typischen Durchsage begrüßt: „Zug fällt aus.“
