
Die Macht der Unwissenheit: Warum Bildung politisch ist
Autorin: Maia Pripiș
Illustration: Daria Ciurea
Wahrscheinlich denkt ihr, dass Misstrauen gegenüber Fakten und Wissenschaft nichts mit Politik zu tun hat. Egal, wenn jemand glauben will, dass Schokoladenmilch von braunen Kühen stammt – wer sind wir, um seine Weltanschauung zu zerstören? Trotzdem ist die Situation nicht so einfach: Die Realität ist, dass manche Verschwörungstheorien schwerer zu entkräften sind als andere. Was passiert in einer Demokratie, wenn jemand nicht mehr an den Holocaust glaubt oder Minderheiten für wirtschaftliche Instabilität verantwortlich macht? Wenn unbestreitbare Fakten nicht mehr anerkannt werden?
Der Begriff für die Ablehnung wissenschaftlicher Erkenntnisse ist Anti-Intellektualismus. Dieses Phänomen tritt immer häufiger auf und kann sehr gefährlich für unsere Gesellschaft werden. In diesem Artikel werde ich mich diesem Problem aus verschiedenen Blickwinkeln widmen: Was Anti-Intellektualismus konkret bedeutet, warum Menschen davon beeinflusst werden und welche Rolle er im aktuellen politischen Kontext spielt.
Genauer gesagt bezeichnet Anti-Intellektualismus eine „kritische Haltung gegenüber Wissenschaft, Intellektuellen, wissenschaftlichen Prozessen und modernen Konzepten“. Dieser Widerstand findet oft auch auf psychologischer Ebene statt: Menschen lehnen zunächst Dinge ab, die sie nicht verstehen, und weigern sich anschließend, sie anzuerkennen. Doch warum geschieht das? Was führt dazu, dass sich Menschen von Geschichte, Kultur und Wissenschaft – also den Fundamenten unserer Gesellschaft – abwenden?
Meiner Ansicht nach lässt sich Anti-Intellektualismus besonders durch soziologische und politische Faktoren erklären. Sehen wir uns die Lage in Rumänien an: Oft spricht man von „zwei verschiedenen Ländern“, wenn man die Bevölkerung betrachtet – ein Ausdruck tiefgreifender gesellschaftlicher Spaltung. Ein erster Faktor, den wir analysieren sollten, ist das Bildungssystem. Eigentlich sollte die Schule Kreativität und eigenständiges Denken fördern, was letztlich zu einem kritischen Urteilsvermögen führen würde. Doch unser Schulsystem wurde seit zwanzig Jahren nicht grundlegend reformiert, was zu Stagnation und Enttäuschung im Bildungsbereich geführt hat.
Einige Schulbücher erwähnen beispielsweise Rumäniens EU-Beitritt nicht, weil sie vor 2007 erschienen sind. Die direkte Folge ist eine Generation von Schülern mit einem veralteten Weltbild in einem „neuen“ Rumänien. Zudem bestehen große Unterschiede zwischen den Schulen, was den Zugang zu qualitativ hochwertiger Bildung einschränkt. Die größten Diskrepanzen lassen sich zwischen städtischen und ländlichen Schulen beobachten. In ländlichen Regionen gibt es deutlich weniger Schulen, die zudem ein geringeres akademisches Niveau aufweisen. Diese Unterschiede zeigen sich auf mehreren Ebenen: Leistungsfähigkeit der Lehrkräfte, Schulinfrastruktur, digitale Kompetenzen sowie in kulturellen und sozialen Werten, die oft subjektiv vermittelt werden – auf dem Land meist konservativer als in der Stadt.
Was geschieht also in einem Land, in dem Menschen kaum historische Kenntnisse besitzen und nicht gelernt haben, Informationen kritisch zu hinterfragen? Die Antwort ist einfach: Große Teile der Bevölkerung erkennen keine Anzeichen politischen des Extremismus und sind daher anfällig für Fake News.
Im Fall Rumäniens erleben wir die Instrumentalisierung gesellschaftlicher Unzufriedenheit zugunsten radikaler Parteien. Viele Männer und Frauen arbeiten hart, verdienen jedoch nicht genug zum Leben und erleben soziale Ungerechtigkeit – sei es durch Benachteiligung, Diskriminierung am Arbeitsplatz oder den eingeschränkten Zugang zu Zukunftsperspektiven. In gewissem Sinne befindet sich Rumänien weiterhin in einer Übergangsphase vom Kommunismus, während wir uns trotz Korruption und wirtschaftlicher Probleme um Modernisierung bemühen.
Was hat Anti-Intellektualismus damit zu tun? Leider wird die prekäre Lage Rumäniens von vielen Politikern ausgenutzt, besonders im Kontext aktueller Wahlen. Durch suggestive Propaganda, falsche Schuldzuweisungen und Desinformation werden häufig Minderheiten, Intellektuelle oder besser bezahlte Arbeitnehmer angegriffen. Anstatt jene zur Rechenschaft zu ziehen, die das System nicht reformiert haben, wird die Schuld auf das System selbst abgewälzt. Das bedeutet, dass korrupte Personen weiterhin an der Macht bleiben können – solange sie unter einem neuen Namen auftreten und so tun, als würden sie das System ändern, während sie es in Wirklichkeit erhalten. Neue politische Akteure können ebenfalls unter dem Vorwand, „anders“ zu sein, an die Macht gelangen – angeblich „Systemgegner“, die in Wahrheit dessen Profiteure sind.
So entsteht eine Gesellschaft, die den eigenen historischen Erfahrungen, wirtschaftlichen Analysen und wissenschaftlichen Erkenntnissen weniger Vertrauen schenkt als Politikern – eine gespaltene Gesellschaft.
Doch man sollte nicht glauben, dass die Kritik an Intellektuellen völlig unberechtigt ist. Auch diese Gruppe muss sich hinterfragen: Man kann die gesellschaftliche Spaltung nicht beklagen, ohne aktiv dagegen anzukämpfen. Gerade diejenigen, die die Möglichkeit hatten zu lernen, sollten ihr Wissen teilen, Veranstaltungen organisieren und für alle zugänglich machen. Wenn man politisch relevante Bücher schreibt, sollte man das ganze Land ansprechen – verständlich und inklusiv. Wer in seiner intellektuellen Blase bleibt, kann keine Veränderung erwarten.
Letztlich denke ich, dass Anti-Intellektualismus ein komplexes Problem ist, das ernsthaft angegangen werden muss. Kurzfristig – vor dem Hintergrund der anstehenden Wahlen – sollten wir so viele Menschen wie möglich informieren und verantwortungsbewusst handeln. Denn wir sind Bürger, und die Zukunft Rumäniens liegt in unserer Hand. Langfristig brauchen wir Bildungsreformen, beispielsweise eine stärkere politische Bildung. Darüber hinaus müssen wir als Gesellschaft wieder zusammenwachsen – ohne Ausgrenzung, unabhängig von Bildungsstand, ethnischer Zugehörigkeit oder Identität. Jeder Mensch verdient eine Gegenwart – und eine Zukunft.