Ein halbes Jahr an der DSA – mein Erfahrungsbericht

Autor: Benjamin Müller

Ich bin Benni, bin 20 Jahre alt, habe gerade mein Abitur hinter mir und bin auf der Zielgeraden meines sechsmonatigen Freiwilligendienstes hier am Goethe-Kolleg.
In diesem kleinen Blog will ich ein wenig über die vergangene Zeit und über meine Eindrücke und Erlebnisse reden, die ich hier an der Schule und allgemein in meinem Freiwilligen Sozialen Jahr gesammelt habe.  

Schnell nach meiner viel zu langen Anreise, die ich mit dem Flixbus und meinem halben Kleiderschrank im Koffer hinter mich gebracht habe, bin ich in Kontakt mit Herrn Wulff getreten, der mich sehr lieb empfangen hat. Mit ihm habe ich viel über allgemeine Dinge in Rumänien geredet, aber auch über meine Aufgabenbereiche an der Schule, die sich letztendlich etwas anders dargestellt haben, als ich erst gedacht hatte.
Meine Vorstellung, den ganzen Tag in verschiedenen Klassen zu hospitieren, Schüler mit Deutsch-Nachhilfestunden oder auch Vertretungsstunden zu quälen, ging bald in die wundervolle Aufgabe über, mir zu überlegen, was mir denn eigentlich Spaß macht und wie ich diese Dinge auf die Schule übertragen könnte. Anfangs hatte ich Vorschläge wie einen Bücherclub oder eine Muttersprachler-Konversationsstunde im Kopf, welche zwar nicht schlecht waren, aber doch nicht ganz passten. Die Schülerinnen und Schüler beschäftigen sich so oder so schon zu viel mit schulischen Aktivitäten, weswegen sie vielleicht eher einen kleinen Ausgleich zur Schule brauchen, als eine weitere Vertiefung.
Da kamen mir direkt meine Hobbys in den Sinn und schnell standen die ersten Vorbereitungen meiner zwei wundervollen AGs: Fotografie und Musikproduktion.

Meine beiden AGs wurden erstaunlicherweise mit sehr viel Interesse aufgenommen und es hat sich in beiden eine tolle Gruppe von Menschen zusammengefunden. Die Priorität lag erstmal auf der Foto-AG, da diese einmal die Woche, immer am Donnerstag, stattfand. Der Inhalt hat vor allem die Basics des Fotografierens, wie zum Beispiel Licht, Komposition oder auch die Bedienung einer Kamera beinhaltet. Zusätzlich habe ich auch praktische Stunden durchgeführt, was bedeutet hat, dass ich mit der Gruppe zum Fotografieren beispielsweise in die Calea Victoriei oder in den Cișmigiu-Park gegangen bin. In der Woche des Abiturs habe ich außerdem einen Fotografie-Workshop angeboten, der für alle verfügbar war, die kein Abitur schreiben mussten. Hier war eher die Eigeninitiative der Schülerinnen und Schüler gefordert, da sie an unterschiedlichen Orten unterschiedliche Aufgaben hatten, wie beispielsweise eine Bilder-Collage zu einem Song erstellen. 

Die Musikproduktions-AG beschränkte sich auf weniger Termine, die dafür eine längere Dauer hatten. Mein Ziel für die Stunden war es, dass jeder, der in diese AG geht, am Ende einen Song selbst erstellen kann. Ob dieser gut ist oder nicht, war erst einmal nicht so wichtig. Themen wie Musiktheorie, Songstruktur, Mixing, Melodien erstellen oder auch „warum mein Song so scheiße klingt“ waren Inhalte der AG. Persönlich erstaunte mich, dass sich schon sämtliche Schülerinnen und Schüler in der zweiten Stunde der AG die Vollversion des Musikprogramms piratiert haben, was anscheinend hier in Rumänien sehr üblich ist. 

Weil mein Zeitplan noch eine Lücke vorgewiesen hat, habe ich mir ein weiteres Projekt vorgenommen, in dem ich Fotografie und die Interessen der Schülerinnen und Schüler miteinander kombinierte. Da ich mir von Anfang an für Bukarest das Ziel gesetzt habe, möglichst versteckte und gemütliche Orte zu finden, habe ich mir das als Inhalt für eine Broschüre genommen. Und da es kaum erfahrenere Menschen in meinem Alter gibt, die solche Orte hier kennen, habe ich mir die zwei Klassen 11b und 11c geschnappt. Jeder in diesen Klassen sollte mir einen Ort nennen, an dem er sich in Bukarest am wohlsten fühlt. Sei es ein Café, ein Park oder auch eine Bücherei. Zusätzlich sollte der- oder diejenige mir noch zwei Fragen zu dem Ort beantworten. Anschließend bin ich selbst zu diesem Ort gefahren, habe mir einen Eindruck verschafft und ihn möglichst spannend fotografiert. Und all diese Informationen habe ich dann in eine 36-seitige Broschüre mit dem Namen „Wohlfühloasen“ verpackt, die du auch hier ansehen kannst. 

Auch in den Unterricht durfte ich ein wenig hineinschnuppern. Da ich aus unmotivierten deutschen Klassen mit öden Lehrern kam, war es für mich wie ein Schock, dass sich hier beinahe die halbe Klasse meldet, wenn Hausaufgaben besprochen werden.
Die Motivation bringt eine wunderbare Lernatmosphäre und manchmal wünschte ich, ich hätte hier meine Schuljahre verbracht. Indem ich über einen längeren Zeitraum die Klasse 9c begleitete, im Unterricht half und sogar auf den Klassenausflug mitdurfte, konnte ich ein wenig mehr Einblick gewinnen, wie das Schulleben hier so läuft und wie die Schülerinnen und Schüler so drauf sind.

Ein weiterer spannender Punkt ist der Rollentausch vom Schüler zum „Lehrer“, den ich durchgemacht habe. Mal zu sehen, wie alles hinter den Kulissen aussieht und wie sehr sich zum Beispiel die Lehrer verändern, wenn sie aus der Schule rauskommen, oder wie über bestimmte Schülerinnen und Schüler geredet wird, ist sehr spannend. 

Mit dem Kollegium selbst habe ich eine wundervolle Ansammlung an Menschen erwischt, die mich sofort super aufgenommen haben und bei denen ich mich immer sehr wohlgefühlt habe. Innerhalb wie außerhalb der Schule haben wir viel zusammen rumgeblödelt, Witze gemacht und viele spaßige Momente erlebt, in denen auch eingelegte rumänische Gurken eine wichtige Rolle gespielt haben. 😉

Wenn ich jetzt zurückblicke, war das halbe Jahr in diesem Freiwilligendienst für mich die beste Entscheidung, die ich seit langem getroffen habe. Die Arbeit hier am Goethe-Kolleg war nämlich nur ein Bruchteil meiner gesamten Reise. Von den Dutzenden neuen Freunden, die ich kennenlernen durfte, die vielen Orte in Rumänien, die ich bereist habe, oder auch die persönliche Entwicklung, die ich hier gemacht habe, habe ich oben nicht einmal berichtet. Eine Zeit, in der man in einem fremden Land mal komplett auf sich allein gestellt ist und beinahe unendlich viele Freiheiten hat, gibt es glaube ich selten im Leben. Erst durch dieses völlig neue Umfeld und die vielen kleinen Herausforderungen, die ich meistern musste, habe ich verstanden, wie ich selbst eigentlich wirklich ticke und wo meine Schwächen und Stärken sind.

Für viele kommt die Idee, nach dem Abitur ein halbes oder ganzes Jahr „Pause“ zu machen und seine Zeit nicht direkt in ein Studium oder in eine Ausbildung zu stecken, gar nicht in den Sinn.

Aber warum denn eigentlich nicht?

Euer Benni 

2.3.25

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