Illustration: Iunia Reff​

Parlamentswahl 2024 - Wer entscheidet für uns?

Autor(in): Maria Mihai

 

Wann war das letzte Mal, dass du dir gedacht hast: “Boah, warum ist das eigentlich verboten? Wer hat denn diese Entscheidung getroffen?” Unabhangig davon, um welche genaue Maßnahme es geht und ob man mit ihr einverstanden ist oder nicht, kann man meistens die genaue Antwort zu diesen Fragen herausfinden. 

Die meisten von euch haben wahrscheinlich bemerkt, dass der öffentliche Raum in den letzten Monaten mit Plakaten, Veröffentlichungen, Diskussionen und Debatten zum Thema Wahlen bedeckt war. Man könnte also meinen, dass der Präsident, dem in der letzten Zeit so viel Aufmerksamkeit geschenkt wurde, die Person ist, auf die man achten sollte, wenn man wissen will, warum eine bestimmte Regelung so ist, wie sie ist.

 

Aber es gibt noch eine Reihe von Abstimmungen, auf die wir unsere Aufmerksamkeit richten müssen, und zwar genau eine Woche nach der Präsidentenwahlen. Am 1. Dezember sind alle Bürger:innen über 18 Jahre zur Wahl des neuen Parlaments aufgerufen.

 

Kurz gesagt: wir wählen 332 Abgeordnete und 137 Senatoren, unsere Vertreter im rumänischen Parlament. Jeder der 41 Landkreise (zuzüglich des Bezirks Bukarest) stellt einen Wahlkreis dar, in dem eine Anzahl von Abgeordneten und Senatoren entsprechend der Einwohnerzahl des Landkreises gewählt wird. Jeder Abgeordnete vertritt durchschnittlich etwa 73.000 Einwohner und jeder Senator 168.000 Einwohner. 

 

Dies ist der Fall, weil das rumänische Parlament aus zwei Kammern besteht, die unterschiedliche Funktionen haben. Beide nehmen Gesetze, Entschließungen und Anträge in Anwesenheit der Mehrheit ihrer Mitglieder an. Die Gesetzgebungsvorschläge werden zunächst in der zuerst angerufenen Kammer erörtert, die für ihre Annahme zuständig ist.

Von der Rumänischen Studentenunion organisierte Veranstaltung und Debatte zum Thema Wahlen.

Der Senat ist normalerweise die Erste Kammer, die mit Gesetzen oder Gesetzesvorschlägen beauftragt wird. In diesem Sinne wird sie auch als “Obere Kammer” bezeichnet. Es gibt einige Ausnahmen, wie z.B. die Ratifizierung internationaler Abkommen und die sich aus ihrer Anwendung ergebenden Maßnahmen, bei denen die Abgeordnetenkammer die Rolle der ersten angerufenen Kammer spielt. Wenn eine Bestimmung von der ersten Kammer angenommen wird, wird sie gültig, wenn auch die Zweite Kammer zustimmt. Andernfalls wird das Gesetz an die Erste Kammer zurückverwiesen.

Die beiden Kammern des rumänischen Parlaments arbeiten getrennt: Sie haben getrennte Leitungen, getrennte Fraktionen und getrennte Fachausschüsse. Sie können aber auch gemeinsame Ausschüsse einsetzen und gemeinsame Sitzungen veranstalten. Tagungen jeglicher Art sind in den meisten Fällen öffentlich und werden im Internet auf den offiziellen  Webseiten der Kammern übertragen. Dort findet man auch die Aktivitäten aller Parlamentsmitglieder, einschließlich der Legislativvorschläge und ihrer jeweiligen Etappen, der vergangenen Reden und ihrer Anzahl, eventuelle Abstimmungsergebnisse – eine Vielzahl von entscheidenen Informationen.

Die rumänischen Abgeordneten und Senatoren werden für eine Amtszeit von vier Jahren in Listenwahlen bestimmt. Es ist genau das gleiche Prinzip, das auch bei den Europa- und Lokalwahlen angewandt wird. Das bedeutet, dass du nicht nur einen Kandidaten auf einer Liste wählen kannst, sondern die ganze Liste. Je nach dem Anteil der Stimmen, den die Parteien an der Gesamtzahl erhalten haben, werden die Sitze der jeweiligen Landkreises auf diese Weise verteilt.

Die Bürgerinnen und Bürger haben also durch die Direktwahl des Parlaments Einfluss nicht nur auf die gesetzgebende Gewalt, sondern auch auf die Regierungsbildung. Nach Absprache mit der Partei oder der Koalition, die über eine Mehrheit im Parlament verfügt, ernennt der Präsident Rumaniens den Premierminister. Wenn man eine Partei bei den Parlamentswahlen wählt, muss man dies also berücksichtigen.

An den diesjährigen Parlamentswahlen nehmen 23 Parteien und Allianzen teil. Die Wahlhürde für politische Parteien und Wahlbündnisse liegt bei 5% der auf nationaler Ebene abgegebenen Stimmen. Eine der letzten Umfragen, die von der Organisation INSCOP Research mit einer Anzahl von etwa 1500 Teilnehmern und einer Fehlerquote von +/- 3% durchgeführt wurde, hat die folgenden Ergebnisse erbracht.

    31.1%PSD (“Partidul Social
Democrat”)

    20.7%AUR (“Alianța pentru
Unirea Românilor”)

    16.2% PNL (“Partidul Național
Liberal”)

    12.7% USR (“Uniunea Salvați
România”)

    5.9% S.O.S. România

    4.5%UDMR (“Uniunea Democrată
Maghiară din România”)

    2.6% REPER (“Reînnoim Proiectul
European al României”)

    1%SENS (“Sănătate, Educație,
Natură, Sustenabilitate”)

Vielleicht ist es deine erste oder zweite Wahl, oder du bist noch nicht wahlberechtigt und fragst dich, wie und warum du dich dafür interessieren solltest. An den Wahlen zum Europäischen Parlament im Juni haben sich zwei Millionen junge Menschen zwischen 18 und 35 Jahren beteiligt, ein Drittel mehr als bei früheren Wahlen. Diese Altersgruppe ist allerdings immer noch eine der am wenigsten stark vertretenen in den Wahlbeteiligungen. Einer der am häufigsten genannten Gründe für die fehlende Beteiligung an den zivilgesellschaftlichen Themen ist der Mangel an geeigneter Vertretung. Man muss zugeben, dass es nie die „perfekte“ Partei geben wird, aber mit der richtigen Informationsbeschaffung kann eine Person von ihrem Wahlrecht Gebrauch machen und als Teil einer ganzen Generation eine treibende Kraft darstellen. 

 

Die Webseite www.eucucinevotez.eu (“Für wen stimme ich?”) ist eine Initiative der Kooperation deutscher Stiftungen in Rumänien mit dem Ziel, ein interaktives Instrument in die nationale Wahllandschaft einzubringen. Nach dem Vorbild des deutschen “Wahl-O-Mat” wird den Wählern eine Plattform geboten, auf der sie die politischen Standpunkte der Parteien erkunden und vergleichen können. Indem man den 28 Aussagen des Quiz (eher) zustimmt oder sie (eher) ablehnt, kann man auf informierte und faire Weise seine politischen Neigungen leicht entdecken.

 

Will man mehr über die Entscheidungen, Worte und vor allem die Taten der Parteikandidaten erfahren, stellen objektive Ressourcen wie die Plattformen Recorder und Declic einen hilfreichen Ausgangspunkt dar. Diese und zahlreiche andere Ressourcen stehen zur Verfügung, um sich mit dem politischen und zivilen Leben auseinanderzusetzen. Die eigenen Prioritäten zu analysieren und mit den Positionen der Parteien abzugleichen, bildet die Grundlage für eine bewusste Wahlentscheidung.

 

Das Wählen ist die einzige organisierte Möglichkeit, die demokratische Macht direkt auszuüben und die Richtung mitzubestimmen, in die sich eine Gesellschaft entwickeln soll. Durch die Wahlbeteiligung werden nicht nur individuelle Prioritäten, sondern auch kollektive Anliegen sichtbar. Ohne aktive Teilnahme an Wahlen bleibt Demokratie nur ein Konzept auf dem Papier. Jede Stimme zählt, und jede Wahl ist eine Chance, die Zukunft aktiv mitzugestalten. 

 

In diesem Sinne erfordert die Bewahrung von Freiheit ständige Wachsamkeit, denn jede Generation steht vor der Verantwortung, demokratische Werte zu schützen. Wie oft gesagt wird, sind wir stets nur eine Generation vom Autoritarismus entfernt – und nun liegt es an uns, diese Herausforderung anzunehmen. 

25.11.24

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